6. „Kompromisse bleiben ein Wesenselement der Europäischen Union“

Wirtschaftsjournalist Werner Mussler bei der Rottweiler CDU

„Die Europäische Union (EU) ist eine Geschichte der Kompromisse, des Durchwurstelns, des Gebens und Nehmens.“ Dieses ernüchternde Fazit zog Dr. Werner Mussler, Wirtschaftskorrespondent der FAZ in seinem Vortrag bei der Rottweiler CDU. Aller Voraussicht nach werde es auch bei der Kompromissfindung als zentraler Notwendigkeit bleiben und keine gänzlich neuen institutionellen Verfahren geben.

CDU-Stadtverbandsvorsitzender Rasmus Reinhardt erinnerte eingangs daran, dass man Europa in früheren Jahren mit Begriffen wie Friede, Freiheit, Wohlstand und offene Grenzen verbunden habe. Nachdem dies alles zur Selbstverständlichkeit geworden sei, herrsche bei vielen Menschen eine gewisse Skepsis gegenüber den unvermeidlichen Kompromissen.

Mit der Schilderung einer Woche seines Journalistenalltags gab Werner Mussler einen Einblick in Themen und Geschehnisse in Brüssel. Über eine Konferenz europäischer Kartelljuristen und das turnusmäßige Treffen der EU-Finanzminister sei zu berichten gewesen. Daneben habe man spezielle Themen aufarbeiten müssen wie beispielsweise einen Richtlinienvorschlag der Europäischen Kommission, mit dem der Bestand an faulen Krediten in Bankbilanzen eingedämmt werden solle. Schließlich sei der Antrittsbesuch der Bundeskanzlerin beim französischen Staatspräsidenten unter wirtschaftspolitischen Gesichtspunkten fachlich zu beleuchten gewesen.

Im Blick auf die Zukunftsperspektive lobte der promovierte Volkswirt das Weißbuch zu diesem Thema, das Kommissionspräsident Juncker im letzten Jahr vorgelegt habe. Darin seien fünf Szenarien beschrieben worden, deren Bandbreite vom einfachen „Weiter so“ bis zum „Überall mehr Europa“ reiche. Obwohl dieses Weißbuch einen guten Problemaufriss liefere, sei darüber bedauerlicher Weise keine richtige Diskussion in Gang gekommen. Eine intensive Betrachtung hätte besonders das vierte Szenario verdient gehabt. Nach diesem solle überlegt werden, welche Aufgaben weniger und welche Aufgaben mehr EU-Engagement erforderten. Eine konstruktive Auseinandersetzung darüber scheitere aber in der Regel daran, dass auf europäischer Ebene immer Vorschläge für zusätzliche aber kaum solche für weniger Aufgaben vorhanden seien.

In der Aussprache kam in mehreren Beiträgen die Sorge um die Geldwertstabilität zum Ausdruck. Faule Kredite und der Ankauf von Staatspapieren durch die Europäische Zentralbank wurden beispielhaft genannt. Andererseits wurde die Hoffnung geäußert, dass von einer neu belebten Kooperation zwischen Deutschland und Frankreich gute Impulse für das Zusammenwirken in der EU ausgehen.

Bildunterschrift
Werner Mussler, in Rottweil aufgewachsen und hier am Albertus-Magnus-Gymnasium das Abitur abgelegt, promovierter Volkswirt, Wirtschaftskorrespondent der FAZ in Brüssel, sprach bei der Rottweiler CDU im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Abwickeln oder anpacken – was geht noch in der EU?“